In meiner Praxis geht es viel um die Themen Darmgesundheit, Stoffwechselgesundheit, funktionelle Medizin und Longevity (Langlebigkeit).
Natürlich spielt bei alledem die Ernährung eine wichtige Rolle, denn Gesundheit entsteht auch in der Küche. Und nicht selten (nach entsprechender Labordiagnostik) empfehle ich meinen Patient*innen, auf Getreide, Weizen, Gluten zu verzichten.
Ist das sinnvoll? Warum mache ich das? Folge ich einfach dem neuesten Trend? Macht es überhaupt Sinn, auf Gluten zu verzichten, und falls ja, wann?
Im Folgenden will ich ein wenig Licht ins Dunkel bringen.
Gluten ist ein Eiweiß, also ein Protein mit besonders erwünschten Eigenschaften: Es ist die Basis der allermeisten Bäckereien, denn es ist elastisch und gleichzeitig stabil - und hat deshalb hervorragende Backeigenschaften. Gluten kommt in fast allen Getreidesorten vor. Bei dem in vielen Getreidesorten vorkommenden Gluten (Klebereiweiß) handelt es sich um ein Gemisch aus Speicherproteinen, den Prolaminen und Glutelinen. Getreide mit hohem Glutengehalt sind Weizen, Gerste, Roggen, Dinkel, Kamut, Einkorn und Emmer.
Weizengluten besteht z.B. aus Gliadin und Glutenin, Roggengluten aus Secalin und Secalinin usw. Das Gluten entsteht erst dann, wenn sich diese Proteine mit Feuchtigkeit verbinden; z.B. wenn man Weizenmehl mit Wasser verrührt und knetet.
Beim Backen verdampft die im Teig enthaltene Feuchtigkeit und bildet Luftblasen. Durch die Elastizität und Stabilität des Glutens können sich diese Blasen stark ausdehnen und die Luft bleibt im Teig. Das Ergebnis ist leichtes, luftiges Gebäck. Ohne Gluten könnte man unsere traditionellen Brote und Brötchen, Croissants und Kuchen unmöglich herstellen.
Aus den modernen Zucht- und Anbaupraktiken sowie der industriellen Verarbeitung von Getreide im allgemeinen und Weizen im speziellen resultieren Änderungen der Proteinzusammensetzung des Getreides. Mit dem Ergebnis, dass ein höherer Anteil an immunreaktiver Komponenten enthalten ist, also Inhaltsstoffen, die das menschliche Immunsystem triggern.
Reife Weizenkörner bestehen etwa zu 70 % aus Kohlenhydraten, 13 % Protein, 12 % Wasser, 2 % Fett sowie 3 % Mineralien und Fasern. Beschwerden lösen davon vor allem Proteine wie auch manche Kohlenhydrate aus.
Gliadin gilt als Hauptauslöser zweier unterschiedlicher Krankheitsbilder einer Getreideunverträglichkeit (Zöliakie, Weizenallergie), und macht 50 bis 80 % des Weizengesamtproteins aus.
Bei der Zöliakie handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung des Darms. In den meisten Ländern Europas, Nord- und Südamerikas sowie in Australien sind 0,5 bis 1 % der Bevölkerung von einer Zöliakie betroffen – in manchen Ländern auch mehr. Studien zeigen, dass ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Zahl der Betroffenen zugenommen hat.
Eine Zöliakie kann sich grundsätzlich in jedem Lebensjahr manifestieren, allerdings geschieht das bei Kindern wesentlich häufiger als bei Erwachsenen. Ebenso tritt die Erkrankung bei Frauen mehr als doppelt so häufig auf als bei Männern.
Bei der Weizenallergie handelt es sich um eine klassische durch IgE vermittelte und gegen Weizenproteine gerichtete Typ-I-Allergie.
Die allergischen Reaktionen auf Weizenallergene treten in der Regel innerhalb von Minuten bis wenige Stunden nach einer Mahlzeit auf (Soforttyp-Allergie). Das können lokale, akute Symptome im Magen-Darm-Trakt sein wie Erbrechen, Übelkeit, Durchfall, Verstopfungen und Blähungen. Es können aber auch Hautreaktionen sein, bis hin zu schweren Allgemeinreaktionen wie dem anaphylaktischen Schock.
Meist entwickelt sich eine Weizenallergie vom Soforttyp bei Kindern (Prävalenz 9 %), die sich aber in der Regel bis zum Schulalter auswächst und nur bei wenigen Patienten bis in das Erwachsenenalter erhalten bleibt (Prävalenz 0,4 %).
Zöliakie und Weizenallergie sind aber nicht die einzigen Reaktionen auf Gluten/Weizen/Getreide. Die Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität (NZWS) oder Glutenunverträglichkeit beschreibt ein Beschwerdebild, das sich durch eine Unverträglichkeit gegenüber Bestandteilen von Weizen auszeichnet.Die Reaktionen sind oft unspezifisch, und können sowohl im Verdauungstrakt, als auch im ganzen Körper auftreten.
Von einer NZWS spricht man in der Regel, wenn Symptome ähnlich einer Zöliakie oder einer Weizenallergie auftreten, diese aber erwiesenermaßen nicht auf eine Autoimmunreaktion oder allergische Reaktion zurückgeführt werden können.
Das Krankheitsbild der NZWS ist nicht genau abgegrenzt, betroffene Patienten klagen nach dem Verzehr von Nahrungsmitteln, die Gluten oder andere Weizenproteine enthalten, über Darmbeschwerden (z. B. Durchfall, Bauchschmerzen, Blähungen) oder leiden an einer extraintestinalen Symptomatik (also Symptomen außerhalb des Verdauungstraktes wie z. B. Kopfschmerzen, Erschöpfung, Benommenheit, Gelenk- und Muskelschmerzen, Hautveränderungen, Anämie, Depression). Bei Kindern stehen eher die gastrointestinalen Beschwerden und Müdigkeit im Vordergrund.
Die Symptome klingen meist wieder ab, wenn der Betroffene keine Weizenprodukte mehr zu sich nimmt.
Eine Glutenunverträglichkeit kann also nahezu jedes Gewebe im Körper beeinträchtigen, das Gehirn, die Haut, das endokrine System, den Magen, die Leber, die Blutgefäße, glatte Muskeln und sogar den Zellkern. Zöliakie und NZWS werden mit einer erstaunlichen Vielfalt von Krankheiten in Verbindung gebracht, von Schizophrenie und Epilepsie über Typ-1-Diabetes und Osteoporose bis hin zu Dermatitis und Psoriasis, Hashimoto-Hypothyreose und peripherer Neuropathie.
Weil das Spektrum der mit einer Glutenunverträglichkeit verbundenen Symptome so breit
und unspezifisch ist (d. h. auf eine beliebige Anzahl von Erkrankungen zurückgeführt werden kann), vermuten viele Patienten und Ärzte nicht, dass Gluten die Ursache sein könnte.
Am einfachsten und kostengünstigsten durch eine Glutenfrei-Challenge
Sprich dadurch, dass Du einfach mal ausprobierst, ob Deine Symptome besser werden, wenn Du Dich strikt glutenfrei ernährst. D.h. Du verzichtest für jedenfalls 30 Tage auf sämtliches Getreide. Und beobachtest Dich genau dabei. Ich empfehle gerne, ein Ernährungs-Symptom-Tagebuch zu führen.
Nach 30 Tagen führst Du Gluten wieder in Deine Ernährung ein. Wenn sich die Symptome während der Eliminierungsphase verbessern und zurückkehren, wenn das Gluten wieder eingeführt wird, kann ziemlich sicher die „Diagnose“ NZWS gestellt werden.
Für viele Menschen ist eine glutenfreie Ernährung jedoch leider nicht ausreichend. Einige Getreidesorten die kein Gluten enthalten, wie Mais, Hafer und Reis, enthalten Proteine, die in ihrer Struktur dem Gluten so ähnlich sind, dass sie eine eine Immunreaktion bei Menschen mit Zöliakie oder NZWS auszulösen.
Darüber hinaus zeigen etwa 50 Prozent von Zöliakie-Patienten Anzeichen einer Unverträglichkeit gegenüber Kasein, dem Protein in Milch. Dies könnte erklären, warum bis zu 30 Prozent weiterhin
Symptome oder klinische Anzeichen haben, nachdem sie eine glutenfreie Ernährung eingeführt haben.
Aus diesem Grund empfehle ich eine komplett getreide- und milchfreie Ernährung während der Zeit der Glutenfrei-Challenge.
Obwohl die Glutenfrei-Challenge immer noch der zuverlässigste Test für Glutenunverträglichkeit ist, gibt es einen umfangreichen Bluttest, der viele der genannten Weizen- und Glutenproteine sowie die bestimmte Enzyme (Transglutaminasen) untersucht.
Dieser Test ist nicht ganz kostengünstig (250-300€), und kann ein hilfreiches Diagnoseinstrument sein. Die Glutenfrei-Challenge komplett ersetzen kann er aus meiner Sicht aber nicht.
Warum? Weil Du auch auf Weizen/Gluten/Getreide reagieren kannst, wenn der Bluttest negativ ausfällt. Etwa, wenn die FODMAPs im Weizen/Getreide das Thema sind. Oder Stoffe, die mit dem Bluttest nicht erfasst werden.
Für die allermeisten Patient*innen führe ich eine umfassende Stuhlanalyse durch, bei der wir uns nicht nur das Mikrobiom detailliert anschauen, sondern auch andere wichtige Stuhl-Parameter. Letztere geben u.a. Auskunft darüber, ob eine Entzündung oder ein Leaky Gut vorliegt.
Wenn einer dieser Parameter, das Zonulin, signifikant erhöht ist empfehle ich in aller Regel, die Glutenfrei-Challenge durchzuführen.
Im Darm wird streng reguliert, was in den Körper hineingelassen wird, und was nicht. Zonulin ist dabei der Hauptregulator der Darmpermeabilität, sprich der Durchlässigkeit des Darms.
Zonulin, ein regulatorisches Protein, ist in der Lage die Struktur der sog. Tight Junctions zu verändern. Dadurch wird die Darmbarriere geschwächt und Nahrungsmittelallergene, Bakterien und Makromoleküle können vom Darm ins Blut gelangen.
Zonulin ist ein gut messbarer Marker, um eine gestörte Darmpermeabilität festzustellen. Ist Zonulin in der Stuhlprobe oder im Serum erhöht, bedeutet das, dass die Permeabilität gestört ist, und die strenge „Grenzkontrolle“ an der Darmwand nicht mehr richtig funktioniert. Es gibt auch weitere Substanzen, die Aufschluss geben über den Zustand der Darmbarriere, wie z.B. Calprotectin, und die bei den Stuhlanalysen mitgemessen werden.
Bei stark erhöhten Zonulinwerten, und der Frage, warum sie erhöht sind, kommt Gluten ins Spiel. Genauer gesagt eines der Proteinbestandteile von Gluten, das Gliadin.
Unter mehreren potenziellen Substanzen, welche die Zonulinfreisetzung stimulieren, landet Gliadin auf Platz 1. Gliadin ist in der Lage die Zonulinfreisetzung stark zu erhöhen, wodurch die Tight Junctions nicht mehr ausreichend funktionieren, und die Darmbarriere geschwächt wird.
Gliadin ist natürlich nicht alleine an einer geschwächten Darmbarriere schuld. Es gibt weitere Faktoren, wie z.B. hohe Konzentrationen ungünstiger Bakterien im Darm, Toxine, Stress, Alkohol, Medikamente u.a.m..
Trotzdem: wenn es darum geht, eine chronisch entzündliche Erkrankung und/oder einen Leaky Gut in den Griff zu bekommen, gilt: Gluten in deiner Ernährung kann weiteren Schaden verursachen.
Auch für Gesunde ist übrigens wichtig zu wissen, dass eine glutenlastige Ernährung (Frühstückstoast, Pasta, Pausenbrot, Pizza, Döner, Kekse, Kuchen, Weihnachtsgebäck, Bier, Malzgetränke, …) nicht unbedingt zu einer optimalen Darmgesundheit beiträgt. Wer auf seine (Darm-)Gesundheit achten will, sollte daher lieber nicht zu jeder Mahlzeit des Tages glutenhaltiges Getreide verzehren und den Speiseplan umgestalten.
Eine gesunde glutenfreie Ernährung sollte aus unverarbeiteten, nährstoffreichen Lebensmitteln aufgebaut sein.
→ Kohlenhydrate aus natürlich glutenfreien Lebensmitteln, wie z.B.
Falls Du glutenfreies Getreide und Hülsenfrüchte verträgst, empfehle ich diese als Vollwertkost zu Dir nehmen, und nicht als Bestandteil von glutenfreien Fertiggerichten.
→ Iss mindestens drei bis vier Portionen nicht-stärkehaltiges Gemüse pro Tag, z. B. Brokkoli und Blumenkohl, und achte darauf, dass Du genügend bioverfügbares Eiweiß zu Dir nimmst, um Dein Aktivitätsniveau und Deine Stoffwechselgesundheit zu unterstützen.
→ Tierische Proteine (aus Weidehaltung, mindestens Bioqualität) sind die beste Nahrungsquelle für Eisen und Vitamin B12, Mikronährstoffe die bei Menschen mit Zöliakie und NZWS häufig fehlen.
→ reichlich gesunde Fette, z.B.
→ Achte außerdem darauf, reichlich Probiotika und Präbiotika (Lebensmittel, die das Wachstum von probiotischen Bakterien fördern) in Deine Ernährung einzubauen. Fermentierte Lebensmittel, die reich an Lactobacillus und Bifidobakterien sind, wie z. B. Sauerkraut und Joghurt, können die Darmheilung bei Zöliakie und NZWS unterstützen. Präbiotische Fasern/Ballaststoffe können die Aufnahme von Mikronährstoffen verbessern und helfen, Nährstoffmängel auszugleichen.
→ Ausgezeichnete glutenfreie Quellen für Präbiotika sind:
→ Glutenfreie Ersatzprodukte (Kuchen, Kekse, Nudeln, Brot) sind aus meiner Sicht eher „Gimicks“, und keine Grundnahrungsmittel.
Wenn der Darm geheilt ist, kannst Du mit einer NZWS sehr wahrscheinlich hin und wieder ein bisschen glutenhaltige Leckereien in Deine Ernährung aufnehmen.
Eine glutenfreie Ernährung wird wesentlich gesünder und erschwinglicher, wenn Du hauptsächlich unverarbeitete, glutenfreie Lebensmittel isst.
Untersuchungen zeigen, dass die Kosten für eine glutenfreie Ernährung dann realtiv hoch sind, wenn Du versuchst, alle glutenhaltigen Lebensmittel durch verarbeitete Alternativen zu ersetzen. Wenn Du bei Deinem Einkauf ganze, unverarbeitete Lebensmittel wählst, die von Natur aus kein Gluten enthalten, ernährst Du Dich wesentlich gesünder und preiswerter.
Eine glutenfreie Ernährung kann sich sehr positiv auf die Gesundheit auswirken. Aber nur dann, wenn Du nicht zu sehr auf verarbeitete glutenfreie Lebensmittel setzt.
Persönlich ernähre ich mich übrigens seit über 10 Jahren glutenfrei. Dadurch hat sich nicht nur der Zustand meines Darms signifikant verbessert, sondern auch meine psychische und mentale Gesundheit. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: es kann ganz leicht sein, auf Gluten zu verzichten. Und der Nutzen, den ich daraus ziehe, ist viel größer als der „Schmerz“ des Verzichts (den ich selber seit vielen Jahren gar nicht mehr habe).
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Disclaimer: Alle Hinweise in diesem Text dienen ausschließlich der Information. Sie ersetzen keine fachkundige medizinische Diagnose und Therapie durch HeilpraktikerInnen oder ÄrztInnen.
Grundsätzlich soll bei keiner der aufgeführten Empfehlungen der Eindruck erweckt werden, dass dadurch Linderung oder Besserung eines Krankheitszustandes garantiert oder versprochen werden kann. Die Darstellung gesundheitlicher Zusammenhänge in meinen Texten weicht mitunter vom allgemein anerkannten Stand der Medizin und Wissenschaft ab.
Es obliegt der eigenen Verantwortung zu entscheiden, inwieweit die vorgestellten Empfehlungen ergänzend zur üblichen schulmedizinischen Behandlung anwendbar sind.
Der Artikel beruht auf folgenden Quellen:
https://www.urgeschmack.de/gluten/
www.ganzimmun.de – Fachinfo zu Getreideassoziierte Erkrankungen
https://chriskresser.com/50-shades-of-gluten-intolerance/
https://chriskresser.com/how-to-avoid-negative-side-effects-of-a-gluten-free-diet-and-make-the-most-of-your-diet/
https://www.histameany.de/leaky-gut-ist-gluten-schuld/
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